BUNDjugend Baden-Württemberg  

Juliane über ihre Erfahrungen der ersten veganen Tage

Ich glaube, wenn man alleine wohnt, einen Job hat, der nichts mit Menschen zu tun hat und man außerdem keine Freunde hat, dann ist es absolut machbar, sich vegan zu ernähren, denn an das Durchlesen der Inhaltsstoffe auf allem, was man kauft, die eingeschränkten Kochmöglichkeiten und für alles immer einen pflanzlichen Ersatz zu wählen (Sojamilch, Margarine, Bitterschokolade etc.) gewöhnt man sich recht schnell.

Aber jeder Umstand, der von diesem Grundkonzept der unproblematischen veganen Ernährung abweicht, macht die Sache echt kompliziert (außer, man ist auf einem unglaublich guten FÖJ-Seminar, dort gibt es immer irgendwas Veganes zu essen). Ansonsten ist es wirklich nicht so einfach…

Ständig wird man schief angeschaut, wenn man erst mal die Zutatenliste lesen möchte oder das Essen, das extra und mit viel Mühe gekocht wurde, kritisch beäugt und schließlich fragt, ob das vegan sei.

Da ist schon Problem Nummer 2, denn meistens ist es das nicht. Während man als Vegetarier einfach das Fleisch beim Essen weglassen und den Rest problemlos essen kann, ist es relativ unmöglich, das Ei aus dem Kuchen rauszukriegen oder die Sahne aus der Soße zu destillieren (geht das überhaupt? oder müsste man so was zentrifugieren, um die Sahne vom Rest zu trennen?!). Auf jeden Fall macht man so was eben nicht mit Essen und deshalb geht man als Veganer meistens leer aus, wenn man sich nicht vorausschauend ein belegtes Brot oder einen Salat mitgebracht hat. So hab ich das zum Beispiel beim Kindergartenfest meines Neffen gemacht. Während alle sich am Buffett den Bauch mit den ganzen leckeren Sachen vollgeschlagen haben, saß ich da und hab mein Brot mit Auberginenaufstrich gegessen. Jaja, lecker war’s auch, aber noch leckerer wär’s gewesen, wenn ich das nicht die zwei vorausgehenden Tage auch schon ständig gegessen hätte. OK, das ist meine eigene Schuld, aber trotzdem – man kommt sich schon immer etwas separiert vor.

Dafür hatte ich beim Sommerfest der Jugendfarm, auf der ich arbeite, weniger Probleme als gedacht. Für alle Helfer gab es nämlich Chili con carne und für die Veggis einen extra Topf ohne Fleisch und DAS WAR VEGAN! Ich hab mich gefreut wie Schnitzel (Sojaschnitzel versteht sich). Nur, dass ich die Crêpes, die die ganze Zeit so gemein gut geduftet haben, nicht essen konnte, hat mich dann ein bisschen geärgert.

Allerdings hab ich festgestellt, dass ich seit dem Beginn des Experiments viel bewusster essen. Normalerweise bin ich so ein „mir ist langweilig, deshalb geh ich zum Kühlschrank und guck mal, was drin ist“-Mensch, stopfe also ständig völlig unnötigerweise irgendwelches Zeug in mich rein. Seit ich mich vegan ernähre, fällt das weg (weil einfach so gut wie nix da ist, zum zwischendurch essen). Andererseits weiß ich jetzt nicht mehr, was ich machen soll, wenn ich Langeweile habe.^^

Seit Anfang Mai hab ich mich wirklich fast immer dran gehalten, keine tierischen Nahrungsmittel zu mir zu nehmen. Es gab einige winzige Ausnahmen:

Beim FÖJ-Seminar war Honig in der Salatsoße – wer denkt denn an so was?

In einer Tomatensoße, die noch offen im Kühlschrank stand, ist zwar in der Zutatenliste nichts aufgeführt, aber drunter steht „Enthält Milch“. Grrrrr…

Vor unserer Farmfest-Aufführung letzten Samstag (die ich moderieren sollte), war ich total heiser und meine Stimme hat sich ziemlich bescheuert angehört. Nachdem mir gefühlte tausend Leute gesagt haben, dass da heiße Milch mit Honig hilft und ich jedes Mal versucht hab, mit Zeichensprache klar zu machen, dass das vegan ein bisschen schwierig wird, hab ich schließlich doch zwei Löffel Honig gegessen. Stimme geheilt – Show gerettet… 😀

Ich muss sagen, dass ich das Experiment immer noch gut finde, obwohl ich vermutlich der jammernste Veganer aller Zeiten bin (aber ich muss einfach immer, wenn das so gut riecht sagen, dass ich das jetzt ja soooo gern auch essen würde… und ja, ich will auch Mitleid haben^^)

Übrigens, letzten Sonntag, am Muttertag, wollte mich meine Schwester zum Muttertags-Brunch einladen. Während unseres Gesprächs sind wir dann gemeinsam zum dem Ergebnis gekommen, dass das wenig Sinn macht, weil sie wahrscheinlich kaum was Veganes zu Essen haben. Dann war ich halt wieder ausgeladen…

Von den Freunden verlacht, von der Familie verstoßen – was für ein tragisches Schicksal. Naja, ganz so dramatisch steht es zum Glück noch nicht. Aber spannend ist der Monat bisher allemal – also eigentlich kann ich es nur empfehlen, so was mal zu machen. Auch, um die verschiedenen Reaktionen der Leute mitzukriegen, was ich hier jetzt gar nicht alles aufschreiben kann. Die wahren Freunde lernt man eben erst kennen, wenn man sich vegan ernährt 😉