BUNDjugend Baden-Württemberg  

Kata über kranke VeganerInnen und Veganismus im Urlaub

Obwohl ich es tatsächlich lächerliche anderthalb Monate nicht geschafft habe, einen Text für unseren Blog zu schreiben, möchte ich doch auch noch mal hier erzählen, warum der Mai wundersamer Weise zum unvegansten Monat meines immerhin über einjährigen Vegan-Seins wurde.

Nun, das „wundersame Weise“ aus dem vorherigen Satz kann durchaus mit „ziemlich stinknormaler, aber etwas heftiger grippaler Infekt“ ersetzt werden – eine Woche vorm ersten Urlaub mit Familie und Freund seit über 10 Jahren. Mein Stresspegel war sowieso hoch, weil in der Uni einiges anstand, mein Geldbeutel so leer, wie er gegen Monatsende eben oft ist und meine Vorfreude ähnlich hoch wie der eines Kleinkindes vor Weihnachten. Ganz ehrlich, als meine Mama mir Hustensaft brachte, schwelgte ich bereits in diversen Urlaubsfantasien und der Honig drin war mir größtenteils scheißegal. Ich habe ihn löffelweise genommen und nicht ernsthaft dran gedacht, mir irgendwoher veganen Ersatz zu besorgen. Auch Hustenbonbons mit Honig, die ich geschenkt bekam, habe ich dankbar gelutscht, obwohl da Ersatz deutlich einfacher und günstiger zu haben gewesen wäre. Nun, Honig ist ja sowieso eines der tierischen Produkte, mit denen viele VeganerInnen, die ich kenne, tendenziell locker umgehen und dafür von den Hardlinern bestenfalls belächelt werden. Normalerweise, also in gesundem Zustand, meide ich auch Honig (und das ist oft insbesondere im Bio-Bereich, wo Honig als natürliches Süßungsmittel benutzt wird, äußerst nervig), wobei ich feststellen musste, dass vielen Leuten das so gar nicht einleuchtet. Wenn ich ihnen erkläre, dass Bienen an ihrem natürlichen Schwärmverhalten gehindert werden und ganze Bienenstaaten bei sinkender Profitabilität abgebrannt werden (Edit: Das sind in der europäischen Hobby- und Erwerbsimkerei keine gebräuchlichen Methoden.) Wie es in riesigen amerikanischen Industriebetrieben aussieht, ist wohl schon eine andere Sache. Jedenfalls gilt bei Honig (wie so oft im Leben): Keine vorschnellen Urteile, lieber nachforschen und -fragen! ;)), nicken die meisten unüberzeugt und denken sich wohl so etwas wie „Das Gör und seine wohlständischen Luxussorgen…“ Ich habe allerdings auch von einem Öko-Honig-Projekt gelesen, bei dem die Bienen schwärmen durften und nicht abgebrannt werden (bei Bio-Honig ist das keinesfalls so!) – Honig aus dieser theoretischen Quelle würde ich zu mir nehmen. Daraus folgt natürlich, dass ich klassisch pathozentrisch motiviert bin, also alle Wesen, die Leid empfinden einen moralischen Status zukommen lasse und Leid möglichst vermeiden möchte (das ist eine Komponente des Utilitarismus, trotzdem bin ich definitiv keine Utilitaristin ;)).

Mir ist Respekt vor Leben wichtig und das heißt, jedem ein möglichst gutes und langes Leben zu ermöglichen. Ich war gerade geneigt, „artgerecht“ zu schreiben, doch damit hätte ich mir selbstverständlich selbst ein fettes Bein gestellt. Dieses Wort wird in unglaublicher Weise missbraucht, um die Tötung Milliarden von Tieren zu rechtfertigen – was ich damit sagen will, ist, dass unterschiedliche Tiere unterschiedliche Bedürfnisse haben und dass Symbiose durchaus möglich ist. Tierhaltung sehe ich in vielen Fällen sehr kritisch – aber nicht nur der Mensch, sondern auch andere Tiere sind ihrer primären Natur viel zu stark entfremdet, um ein „natürliches“ Leben haben zu können. Veganismus ist für mich primär ein tägliches, gelebtes Statement gegen eine pervertierte Industrie und ein Ausdruck meiner persönlichen Lebensphilosophie – aber kein Dogma und keine moralische Profilierung, in welcher Weise auch immer. An dieser Stelle könnte ich jetzt noch lange weiterschreiben, aber ich will stattdessen lieber noch kurz auf meine Erfahrungen in dem bereits erwähnten Urlaub eingehen.

Spanien – da dachte ich naiver Weise an traditionelle mediterrane Küche basierend auf Hülsenfrüchten, Getreide, Gemüse und Obst und etwas Fisch. Also ganz wunderbar veganisierbar! Tja, das war vor der beschleunigten Globalisierung vielleicht so! Nachdem weltweit vier Nahrungsmittelhersteller 80 % Marktanteil haben, fand ich in Spanien dieselbe Scheiße wie in deutschen Supermarkt-Regalen. Teuer importiert. In einer touristisch geprägten Gegend ja auch nicht allzu verwunderlich. Doch auch auf diversen Ausflügen ins Hinterland in kleine, ursprüngliche Restaurants war ich bitter enttäuscht. Viele Speisekarten boten gegrilltes Gemüse an, das war dann auch das einzig vegetarische (und zufälligerweise vegane) Gericht. Sonst ausschließlich Fleisch- und Fisch-Gerichte. Auf einem gemischten Salat war selbstverständlicher Weise Thunfisch, in der Paella, die man ohne Fisch bestellt, diverse andere Meerestiere (okay, das war eine Bildungslücke von mir – traditionelle Paella enthält eben Fisch und Muscheln). Den ersten Tofu fand ich nach einer Woche, 100 g für sagenhafte fünf Euro. Anfangs habe ich viel vegetarisch gegessen (wir haben meistens selbst gekocht), irgendwann dann überwiegend Erdnussbutter, die als niederländisches Import-Monster-Glas günstig zu haben war. Vegetarische Brotaufstriche gab es nicht, ich hab irgendwann Tomatensauce aufs Brot gegessen. Dazwischen standen allerdings noch einige Trotz-Phasen-ähnliche Wutausbrüche. Im Urlaub immer Couscous und Linsenaufstrich machen, dazu war ich zu faul. Wenigstens ist mein Freund Vegetarier und ich hatte eine Art Verbündeten. Meine Familie reagierte auch überwiegend verständnisvoll, wenn auch mit Augenrollen. Ich sah es einfach nicht ein, im Urlaub die Konzern-Scheiße zu essen, die ich zu Hause so konsequent vermied. Als ich wieder in Stuttgart war, war ich das erste Mal froh, wieder in Deutschland zu sein – wenn auch nur aus kulinarischen Aspekten (…ja, wie kann das keine Ironie sein?!). Auch wenn ich im Alltag immer wieder auf diese gefühlt so lahmarschigen Schritte Richtung Reduktion tierischer Produkte schimpfe, muss ich zugeben, dass Deutschland wirklich eine Vorreiter-Rolle einnimmt und Vegetarismus schon eine Selbstverständlichkeit ist (seine Existenz, nicht das Praktizieren – das wäre ja noch mal schöner ;)).

Momentan ist meine vegane Welt wieder schön zurecht gerückt und ich lebe glücklich mit meinem Seitan, Avocados und Hefeflocken. Auch habe ich es mir mittlerweile komplett abgewöhnt, unvegane Kosmetik zu kaufen. Leder kaufe ich nach wie vor gebraucht, Seide kommt mir nicht mehr in die Tüte (okay, das schon, als mir eine alte Frau aus Tadschikistan erzählte, wie sie als junges Mädchen Raupen-Kokons in kochendes Wasser warf) und es wird immer selbstverständlicher für mich, vegan zu leben. Aber schon Aristoteles wusste ja, dass man sich an Tugend eben langsam gewöhnen muss…