BUNDjugend Baden-Württemberg  

Obdachlos

Es gibt alleine in Deutschland über 40 verschiedene Straßenzeitungen. In Stuttgart und Umgebung wird an öffentlichen Plätzen häufig unsere regionale Straßenzeitung, die „Trottwar“ verkauft.

Die Idee von Straßenzeitungen ist, dass Menschen, die lange auf der Straße lebten und auf dem normalen Arbeitsmarkt keine Chance mehr haben, eine Perspektive zu geben. Beim Verkauf einer Straßenzeitungen geht die Hälfte des Betrages direkt an den Verkäufer, so hat er eine Chance wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Zusätzlich erhalten die Verkäufer sozialpädagogische Unterstützung, wenn sie z.B. Suchtprobleme haben.

Wir hatten den Trottwar-Verkäufer Thomas zu uns ins Cafe Ahhh eingeladen.

Uns interessierte, wie es passieren kann, dass jemand obdachlos wird, wie es sich anfühlt, obdachlos zu sein, wie das Leben eines Obdachlosen abläuft und was die Dinge sind, die einen Menschen in dieser Extremsituation am meisten beschäftigen? Thomas erzählte uns seine sehr eindrucksvolle Geschichte.

Zuerst aber erzählte uns eine Sozialarbeiterin, wie Menschen obdachlos werden und wieviele Menschen in Deutschland von Obdachlosigkeit betroffen sind.

Fast eine Million Menschen also ganz Stuttgart, Karlsruhe und Freiburg zusammen, das ist kaum vorstellbar. Es ist eigentlich auch kaum ein öffentliches Thema. Zwar sieht man immer wieder Menschen, die obdachlos sind, doch leben sie eigentlich sehr weit von uns entfernt. Denn wir gehen durch die Straßen, an denen sie knien und sitzen.

Auf dem Marienplatz startete die Führung „Ein Abend obdachlos“ durch Stuttgart. Thomas erzählte mit viel Witz und Humor aus der Zeit als er obdachlos war. Seine Erzählung war wirklich gut und sehr spannend, weil sein Leben doch einige Male am seidenen Faden hing. Er erzählte vom Überleben auf der Straße, davon, dass es dort keine echte Freundschaft gibt und von Alkoholabstürzen bis ins Koma. Eines Nachts wurde er von einer Gruppe Jugendlichen einfach so brutal verprügelt, er erinnerte sich nur noch, wie er irgendwann im Krankenhaus aufwachte. Das alles erzählte er so lebendig, dass man fast das Gefühl hatte, als sei man dabei gewesen – kein gutes Gefühl!

Vom Frauenwohnheim bis zur Franziskus Wärmestube, die von einer rüstigen wie auch liebenswerten Nonne geleitet wird, besuchten wir die verschiedensten Plätze, an denen sich Obdachlose in Stuttgart aufhalten. Wir erfuhren dabei, dass diese Angebote bei weitem nicht ausreichen, weil es viel mehr Obdachlose als Angebote gibt.

Die Führung dauerte deutlich länger als am Anfang geplant. Wir hatten so viele Fragen und Thomas erzählte nicht nur sehr anschaulich sondern auch sehr gerne. So verabschiedeten wir uns erst nachts um halb Zwölf von Thomas. Er hatte den Rolli mit den Zeitungen für den nächsten Tag schon dabei.