Struktur wandeln
Die Umsetzung der ökologischen Ziele scheitert nicht an gutem Willen, sie scheitert an unserer Art und Weise zu wirtschaften und daran, dass wir bis jetzt nicht dazu bereit waren, diese grundlegend zu verändern.
Es liegt in der Verantwortung der Politik, dem wirtschaftlichen Handeln klare Rahmenbedingungen zu setzen. Die aktuelle Produktionsweise verbraucht zu viele Ressourcen und hat negative Auswirkungen auf unsere ökologische Lebensgrundlage. Wir müssen weniger produzieren, weniger verbrauchen und ökologisch-sozial wirtschaften. In Baden-Württemberg betrifft dies insbesondere die Automobilindustrie. Wir sollten unter anderem darüber diskutieren, wie sich eine Minderung der Autoproduktion im Gesamten sozialverträglich organisieren lässt, statt nur – wie es derzeit vielfach versucht wird – die bestehende Produktion auf die Elektromobilität zu verlagern. Denn solch eine Verlagerung würde die Sicht auf das Wesentliche verhindern: Die Frage, wie eine ökologische und soziale Zukunft aussehen kann, in der die soziale Absicherung nicht von Wirtschaftswachstum abhängig ist. Um also eine soziale Absicherung losgelöst von Wirtschaftswachstum zu erreichen, brauchen wir einen grundlegenden Strukturwandel. Es muss neu gedacht und neue Modelle des Wirtschaftens und des Zusammenlebens entworfen werden. Die Politik ist auf allen Ebenen, auch auf Länderebene, dafür verantwortlich, diesen Strukturwandel der Wirtschaft zu organisieren.
Als konkrete Schritte fordern wir:
Forschung ausbauen
- Es müssen Perspektiven jenseits des aktuellen wachstums- und leistungsorientierten Zusammenlebens und Wirtschaftens gefunden werden. Die Forschung hierzu soll auf Betreiben des Landes ausgeweitet und durch Landesmittel finanziert werden.
- Aus Landesmitteln sollen regelmäßig durchgeführte Studien und Pilotprojekte zu nachhaltigen und wachstumsunabhängigen Wirtschafts- und Gesellschaftsformen finanziert werden. Vorbild hierfür seien beispielsweise bisher stattgefundene Experimente zu bedingungslosem Grundeinkommen.
- Die Auswertung dieser Studien und Projekte muss transparent und öffentlich erfolgen.
- Konsequenzen, die aus diesen Auswertungen gezogen werden, müssen – im Zweifel auch gegen bürokratische und institutionelle Widerstände – auf Landesebene konsequent umgesetzt werden. Zudem muss das Land ebenfalls auf Bundesebene auf eine solche Umsetzung hinarbeiten.
Anreize richtig setzen
- Preise müssen den wahren Verbrauch unserer Lebensgrundlagen und die sozialen Folgen widerspiegeln, externe Kosten also vollumfänglich in die Preise eingebunden werden. Analog zur Ausweisung der Mehrwertsteuer muss es eine Ausweisung des sozialen und ökologischen Fußabdrucks auf allen Produkten im Handel geben. Alle Menschen müssen finanziell dazu befähigt werden, die realen Preise mitzutragen.
- Die Vergabe öffentlicher Gelder muss an strenge Gemeinwohlkriterien gebunden werden. Das Gemeinwohl muss dabei das Gesamtinteresse von Mensch und Natur weltweit umfassen.
- Alle Organisationen und Unternehmen in Baden-Württemberg müssen eine jährliche Gemeinwohlbilanz nach anerkannten Standards erstellen, statt der heutigen Wirtschaftsbilanzen, die lediglich die wirtschaftliche Dimension beleuchten und die sozialen und ökologischen Auswirkungen der Organisationen vernachlässigen.
- Subventionen müssen über Nachhaltigkeitsschlüssel verteilt werden. Es darf keine Subventionen mehr für Unternehmen geben, deren Arbeitsprozesse weiter auf fossile Rohstoffe setzen oder nicht möglichst klimaneutrale Verfahren nutzen. Die Einhaltung der Klimaauflagen muss regelmäßig, unangekündigt und unabhängig überprüft werden.
- Transformationsschutz statt Bestandsschutz. Frühere Investitionen in nicht-nachhaltige Geschäftsmodelle dürfen nicht durch Abschaltprämien und ähnliches legitimiert werden. Das Festhalten an überholter Technik ist durch politische Maßnahmen aufzubrechen, z.B. durch sehr hohe Steuern.
- Die öffentliche Kreditvergabe muss an positive Gemeinwohlbilanzen gebunden werden. Zum Beispiel müssen Kredite, die das Land an Betriebe oder Banken vergibt, in Einklang mit der Einhaltung des 1,5°C-Ziels stehen und es müssen klare Ausschlusskriterien implementiert sein. Gemeinwohl- und umweltschädliche Unternehmungen müssen bis spätestens Ende 2022 komplett beendet werden.
Sozial-ökologische Bildung fördern
- Schüler*innen sollen an Perspektiven einer sozial-ökologischen Transformation herangeführt werden. Hierfür müssen Konzepte erarbeitet werden. Lehrkräfte und Schüler*innen können als Multiplikator*innen dienen und müssen Zugang zu entsprechenden Weiterbildungen bekommen. Die bisherigen Bestrebungen auf Grundlage der BNE (Bildung für Nachhaltige Entwicklung) können als erste Vorlage dienen.
- Das Land soll ehrenamtliches Engagement erleichtern. Dazu zählt eine bundesweit einheitliche Regelung, die die Freistellung für ehrenamtliches Engagement über Ländergrenzen hinweg ermöglicht. Gleichzeitig muss das Recht auf fünf Tage Bildungszeit pro Kalenderjahr für Auszubildende und Studierende sowie für Arbeitnehmende gleichermaßen gelten.