BUNDjugend Baden-Württemberg  

Re­vo­lu­ti­on im Anzug …

Jede Menge Po­le­mik, ein paar Ar­gu­men­te und ein Plä­doy­er

(von Kai Bau­dis, Vor­stand der BUND­ju­gend BW in kriZ 1/2010) Er ist der feuch­te Traum aller Mo­de­fe­ti­schis­ten und So­cie­ty-Jun­kies: der Wie­ner Opern­ball. Wer hier auf­wän­dig fri­siert von der No­bel­ka­ros­se auf den roten Tep­pich stol­ziert hat keine Mühen ge­scheut: Haute Cou­ture soll­te es schon sein, zu­min­dest aber ein ge­ho­be­ner Ver­tre­ter des Prêt-à-por­ter. Ent­spre­chend klang­voll auch die Namen nicht nur der mensch­li­chen Gäste: Vera Wang trifft Ma­no­lo Blah­nik, dazu ein Sprit­zer Iris No­bi­le. Da­ne­ben Jean-Paul Gaul­tier, um­wa­bert von einer Wolke Lancôme Hypnôse. Schnitt: Al­ter­na­ti­ver Ju­gend­club / Poe­try-Slam-Ver­an­stal­tung / BUND­ju­gend-Zen­trum Stutt­gart: Wer hier durch die Türe spa­ziert, hat die meis­ten Mühen ge­scheut; Bus& Bahn kos­ten wenig oder gar nichts (man darf sich eben nicht er­wi­schen las­sen), die Kla­mot­ten im Kilo beim Se­cond-Hand-La­den des Ver­trau­ens auch nicht mehr als der le­cke­re Fa­la­fel um die Ecke. Per­fekt zur Schlab­ber­ho­se: Der an­ge­sag­te Bar­fuß-Look, dazu der zu jeder Ge­le­gen­heit pas­sen­de Nor­we­ger-Pul­li und selbst­ge­mach­te Hand­ge­lenk­wär­mer aus alten So­cken. Statt No­bel­par­fums sind die Düfte hier, nun, das Leben selbst! Zu häu­fi­ges Du­schen ist im­mer­hin Was­ser­ver­schwen­dung – und so­wie­so schlecht für die Haut. Der letz­te Schrei: Eine in­di­vi­du­el­le Kom­po­si­ti­on aus Rauch vom La­ger­feu­er am letz­ten Sams­tag, dem in­di­schen Essen des Vor­tags, Räu­cher­stäb­chen und dem un­ver­wech­sel­ba­ren Aroma na­tur­ge­filz­ter Dre­ads. Das kras­se Ge­gen­teil? Ei­gent­lich nicht, denn auf den zwei­ten Blick haben diese bei­den Grup­pen mehr ge­mein, als es Opern­ball-Be­su­cher und „Öko“ lieb sein kann: Wer Klei­dung, Grup­pen­stil und -sym­bo­lik als bloße Ei­tel­kei­ten abtut, greift zu kurz. Letzt­lich un­ter­wer­fen sich beide Grup­pen frei­wil­lig einer Art Uni­for­mie­rung: Sie gren­zen sich nach außen ab. An­de­re pas­sen nicht dazu – und wer­den davon ab­ge­hal­ten, über­haupt pas­sen zu wol­len. Be­reits Georg Sim­mel er­kann­te Mode als „Hier­ar­chie, die Men­schen von­ein­an­der trennt“, für den His­to­ri­ker Neil McKend­rick ist sie gar die trei­ben­de Kraft hin­ter ge­sell­schaft­li­chen Re­vo­lu­tio­nen: Mode war und ist immer auch ein Mach­t­in­stru­ment, des­sen sich zu­min­dest die Spit­zen­ver­tre­ter der Wirt­schaft, der Po­li­tik usw. durch­aus be­wusst be­die­nen – nicht nur auf dem Opern­ball. Dass sich aus­ge­rech­net die Um­welt­be­we­gung – die für sich in An­spruch nimmt und neh­men muss, für alle zu spre­chen! – auf ihre ei­ge­ne Art bei­na­he ge­nau­so dras­tisch nach außen ab­grenzt und sich so für die brei­te Masse un­at­trak­tiv macht: Das ist an Iro­nie kaum zu über­bie­ten. Will sie die­sen An­spruch wei­ter­hin zu Recht er­he­ben, muss sie sich auch und vor allem Durch­schnitts­ju­gend­li­chen öff­nen. Dabei gibt es Al­ter­na­ti­ven genug: Etwas bes­ser be­tuch­ten Ökos bie­tet sich in­zwi­schen eine große Band­brei­te mo­di­scher Öko-Fair­tra­de-Kla­mot­ten, von Hugo Boss bis Armed An­gels. Und selbst bei Se­cond-Hand-Lä­den gibt’s neben All­tags­klei­dung die ein oder an­de­re Kra­wat­te, Ja­cketts und hin und wie­der sogar Abend­klei­der. Also: De­mons­triert im Anzug! Con­tai­nert mit Kra­wat­te! Chillt im Cock­tail­kleid! Brecht mit Kli­schees! Sprengt Gren­zen! Seid Punks!