BUNDjugend Baden-Württemberg  

Stuttgart 21 und ich…

Ich bin bisher nicht wirklich gerne auf Demos gegangen.

Denn Demos bringen eh nichts. Politiker entscheiden und seit wann interessieren sich Politiker für Demos? Hartz IV- Proteste, Bildungsstreik, Anti-Atomkraft-Demos, und das schon seit über 30 Jahren. Im Jahre 2010 haben so viele Menschen gegen Atomkraft protestiert wie schon lange nicht mehr und die Regierung verlängert die Laufzeiten für Atomkraftwerke um im Schnitt 10 Jahre. Dankeschön!

Also wenn man das ganze realistisch betrachtet, kann man nicht von Erfolgen sprechen.

Dann gibt es ja auch viele kleine Demonstrationen von 150 Leuten abwärts, die Lärm machen und Parolen schreien und dafür mitleidige Blicke der Passanten ernten- irgendwie peinlich.

Tja und wenn das alles noch nicht reicht, schaue ich in meinen Terminkalender und stelle erleichtert fest „Da habIch eh keine Zeit“!

Meine Begeisterung für Demos hielt sich also in sehr engen Grenzen.

Trotzdem war ich dieses Jahr mehr demonstrieren als in meinem ganzen Leben bisher zusammen – Was ist passiert?

Stuttgart 21 ist passiert und passiert immer noch.

Am Anfang war ich ein Befürworter des Projektes. Als erste Gegenstimmen lauter wurden habe ich mich ausführlich informiert. Ich war empört über den Pfusch, der geplant wird und um das Ganze drum herum. Ich war so empört, dass ich nicht anderes konnte als dagegen zu demonstrieren.

Meine erste Demo war im Februar 2010, es war kalt und es war kein großer Haufen und ich dachte: Mist, an der Sache wird wohl nichts mehr zu drehen sein…

Doch dann kamen immer neue Fakten ans Licht, die zu schreiben den Rahmen der kompletten KriZ sprengen würde.

Die Demos wuchsen und wuchsen, erst waren es einige Tausend Menschen, dann 10.000, 20.000, 50.000 und mehr, die auf die Straße gingen. Ich war ziemlich oft dabei. Endlich bekam das Thema mehrAufmerksamkeit. Die Medien interessierten sich plötzlich für die Kritik an Stuttgart 21, nachdem diese jahrelang nur Randnotizen waren.

So eine Dynamik zu erleben ist mit Worten kaum zu beschreiben.

Demos, Baumbesetzungen, im Internet veröffentlichte Zeitungsartikel mit hunderten von Kommentaren, übernachten im Park – eine ganze Stadt ist in Bewegung, sie vibriert, ist fiebrig, der Ausgang völlig ungewiss.

Ich besorgte mir diesen grünen großen Button mit „kein Stuttgart 21 – Oben Bleiben“. Damit gehe ich stolz durch die Straßen dieser Stadt. Immer, wenn ich auch jemand sehe, der diesen Button trägt huscht mir ein lächeln übers Gesicht.

Die demofaule Couchpotato -also ich- ist voll infiziert.

Demonstrieren hilft die gefühlte Ohnmacht zu überwinden, weil man sich nicht nur ärgert, sondern selber aktiv verändern will.

Ich sehe jetzt Demonstration aus einem anderen Blickwinkel. Menschen wollen aktiv etwas verändern, haben aber nicht die Macht, es direkt zu verändern. Deshalb geht man demonstrieren! Es ist eine von vielen Ausdrucksformen, um auf sein Anliegen aufmerksam zu machen. Es ist ein Ausdruck von lebendiger Demokratie und das Gegenteil von Resignation und vom geknirschten Ertragen der Umstände.

Droht uns jetzt die totale „Dagegenrepublik“, wie sie CDU und FDP schwarz an die Wand malen?

Die kurze und klare Antwort ist: Nein! Das einzige was uns „drohen“ könnte, wäre eine lebendigere und wachere Demokratie. Bürger, die sich einsetzten für einen funktionierenden und kostengünstigen Bahnhof, für mehr politische Teilhabe und neue demokratische Formen. Also das totale Gegenteil von dagegen. Willy Brandt sprach schon vor 40 Jahren von mehr Demokratie wagen, ich finde jetzt ist die Zeit dafür!

Wer seine Meinung versucht kreativ auszudrücken, gibt nicht nur ein politisches Statement ab, sondern hat dabei auch unglaublich viel Spaß!

Ob Demos, Flashmobs, Carottmobs, vegan kochen in der Fußgängerzone; macht was ihr wollt! Aber bitte bleibt kreativ, bunt, wild und friedlich!

Simon Wiem war im Landesvorstand der BUNDjugend Baden- Württemberg

Stuttgart aktiv gestalten und Hintergründe zu S21

http://www.kopfbahnhof-21.de/

Infos zum Kopfbahnhof 21 und allem was dafür getan wird um ihn zu realisieren.