Willkommen in Simbabwe
Im Moment bin ich in Simbabwe/Afrika, wo ich in einem Aidswaisenhaus arbeite. Schon seit ich 9 bin wollte ich unbedingt nach Afrika. Damals mein Ziel: einen echten Löwen in freier Wildbahn sehen. Würde ich immer noch gerne, aber die gibt es nur noch in Nationalparks. Da ich nicht weiß, wieviel ihr über Simbabwe wisst, mal eben eine kurze Einführung: Bis 1980 war Simbabwe englische Kolonie, seit dem Unabhängigkeitskampf wird es von dem Diktator Robert Mugabe, zuerst als Ministerpräsident, seit 1987 als Einheitsregent geführt. Im Jahr 2008 ging dann eigentlich alles schief. Die bis dato existierende Währung Simbabwe-Dollar musste aufgrund der Hyperinflation aufgegeben werden. Offiziell nennt sich das Ganze ausgesetzt, und als Übergangswährung gelten US-Dollar und der Südafrikanische Rand. Schwer zu glauben, dass ressourcentechnisch betrachtet, Simbabwe eines der reichsten Länder Afrikas ist. Soweit die Theorie. Die Praxis ist um einiges schlimmer: Könnt ihr euch vorstellen, den ganzen Tag ohne Strom und fließend Wasser zu verbringen? Jetzt denken die meisten bestimmt:“Hallo, spinnt die. Ich bin Proficamper und wohne praktisch in meinem Zelt.“ Tja, vom Zelten her kannte ich das auch, aber da ist man immer irgendwie drauf eingestellt gewesen. Hier läuft das etwas anders. Der Strom und das Wasser kommen und gehen wann sie wollen. Beziehungsweise wann die Regierung das will. Den Strom verkaufen sie nämlich an die Nachbarländer, und weil die Wasserleitungen so unglaublich alt und spröde sind, aber irgendwie keiner Geld hat um sie zu reparieren, wird eben auch das Wasser abgestellt. Ganz toll, wenn man unter der Dusche steht und das im Halbdunkel.
Aber auch sonst sind die Lebensverhältnisse eher schwierig. Auf meinem Weg von Harare nach Amaveni (etwas mehr als 2 h) bin ich ziemlich kräftig durchgeschüttelt worden. Die Straßen sind eher eine Aneinanderreihung von Schlaglöchern und wenn man hier zu Fuß geht, muss man aufpassen, sonst fällt man in irgendein zwei Meter tiefes Loch, welches den „Gehweg“ ziert. Baumaschinen um das alles zu reparieren gibt es nicht. Selbst das Rollfeld auf dem Flughafen in Harare wird mit Eisenpickeln aufgeschlagen. Soviel zur Globalisierung. Die gibt es übrigens wirklich. Habt ihr euch mal gefragt, was mit euren alten Handys passiert? Ich kann sie kaufen für etwa $50. Auch sonst ist nicht mehr wirklich viel von Afrika übrig. Das Nestle-Milchpulver (übrigens eine extrem eklige Erfindung wenn ihr mich fragt), kostet im 2L-Eimer weniger als 1 Liter frische Milch. Das einzig wirklich traditionelle hier ist Sadza, eine Art Maisbrei und so die Grundlage jeder Mahlzeit. Einmal die Woche gibt es hier auch Huhn. Für mich als Vegetarierin eher ungeeignet, aber wenn es hier Huhn gibt, dann auch das ganze Huhn. Heißt inklusive Füßen, Innereien und was Mama sonst noch so alles lieber nicht kocht. Was Mama nicht kocht… Ich dachte ja die Abfälle sind Abfall, stimmt aber gar nicht. Europäische Unternehmen verfrachten diesen Abfall gut gekühlt auf Containern nach Afrika und verkaufen das Zeug hier. Billiger als ein Farmer je seine Hühner großziehen könnte. Wenn ihr dachtet der Film „We feed the world“ übertreibt, liegt ihr falsch. Ich kann es selbst kaum glauben, und es ist schon schwer durchs Dorf zu gehen und mir die Kinder anzuschauen und zu wissen, dass jedes dritte keine 20 Jahre alt wird. Todesursache: HIV, Hunger, Kältetod oder ermordet. In dem Heim, in dem ich arbeite, leben 72 Kinder. Viele sind AIDS-Waisen, einige aber auch von ihren Eltern ausgesetzt oder liegengelassen auf Müllhalden, unter einem Hühnerkäfig oder vor der Kirche. Menschen können wirklich grausam sein, aber wenn ich mir die Umstände hier so anschaue habe ich irgendwie ein bisschen Verständnis. Wenn man das Leben hier einmal miterlebt hat, fängt man an vieles zu verstehen. Auch warum es immer heißt Globalisierung ist Fluch und Segen zugleich. Hier eher ein Fluch, und von Entwicklungshilfe bekomme ich hier auch nichts mit. Oder ist es Entwicklungshilfe, Alete Babynahrung so zu subventionieren, dass niemand mehr dagegen ankommt? Desiree Pielsticker ist neue FÖJlerin bei der BUNDjugend BW Die aktuelle kriZ Ausgabe 2/2011 findest du zum Download hier.