BUNDjugend Baden-Württemberg  

„Gemeinsam die deutsche Landwirtschaft umkrempeln!“ Über die Idee der GartenCoop

Mit dieser Forderung eröffnete Rolf Künnemann seinen Vortrag über das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft bei der European Network Academy 2011. Der Vortrag ist eingebettet in einen Workshop, in dem dutzende AktivistInnen aus ganz Europa ihre Visionen von solidarischer Landwirtschaft austauschen. Während die Damen und Herren in Brüssel von einem Lobbytermin zum nächsten hetzen und sich den Kopf über die künftige Verteilung der EU-Agrarmilliarden zerbrechen, schließen sich landwirtschaftliche Betriebe und KonsumentInnengruppen zusammen, um Landwirtschaft ganz neu zu gestalten – solidarisch und von unten!

Angefangen hat alles schon vor mehr als 25 Jahren, als der Buschberghof in der Nähe von Hamburg feststellte, dass er den von der Politik vorgegeben Weg des „Wachsen oder Weichen“ nicht mitgehen wollte. Die Landwirte wollten nicht für einen anonymen Markt produzieren, der sie bei Missernten oder Preisschwankungen im Stich lässt. Sie wollten die Menschen kennen, für die sie Lebensmittel produzieren. Nicht die Spezialisierung auf eine landwirtschaftliche Aktivität, sondern eine möglichst breite Palette von Produktionsbereichen sollte das Erfolgsrezept für den Hof sein.

Solidarisch produzieren bedeutet beim Buschberghof, dass sich die VerbraucherInnen das Risiko einer Missernte untereinander teilen. Die Landwirte errechnen am Beginn einer jeden Saison, wie viel Geld sie benötigen und die VerbraucherInnen bringen diesen Betrag gemeinsam auf. VerbraucherInnen, die gesunde, regionale, biologische und solidarisch hergestellte Produkte dem Supermarkt vorziehen, gab es schon vor 25 Jahren. Heute, in Zeiten von Finanzkrise, Lebensmittelskandalen und dem drohenden Peak-Oil gibt es Wartelisten für diejenigen, die vom Buschberghof ihr Fleisch, Gemüse, Käse und auch Brot beziehen wollen.

Wartelisten gibt es auch bei den Jardins de Cocagne, die ebenfalls bereits seit den 80er Jahren Vertragslandwirtschaft (Bezeichnung für solidarische Landwirtschaft in der Schweiz) in Genf betreiben. Die „Schlaraffengärten“ haben nämlich für ihre Kooperative eine maximale Größe von ca. 420 Versorgungsgemeinschaften, was ca. 1000 Einzelpersonen entspricht, festgelegt. Statt ihre eigene Kooperative immer weiter zu vergrößern bieten die Jardins de Cocagne lieber neuen Projekten ihre Hilfe an. Zum einen können Neugründungen von den reichen Erfahrungen der Jardins de Cocagne profitieren. Zum anderen können die neuen Projekte auf deren Kontakte zurückgreifen. In der Praxis werden also Menschen, die beim einen Projekt auf der Warteliste stehen, über das neue Projekt informiert und können sich dadurch direkt an der Neugründung beteiligen.

Aber nicht nur in der französischsprachigen Schweiz rund um Genf hat die Idee Schule gemacht. Auch in Wien, Zürich und der Grenzregion zwischen Bodensee und Oberrhein haben sich in den letzten beiden Jahren neue Initiativen gegründet. Die neuen Initiativen pachten entweder Land und Maschinen von bereits bestehenden Betrieben, oder stellen gleich einen kompletten Hof auf das Prinzip der solidarischen Landwirtschaft um.

Die GartenCoop in Freiburg hat bei ihrer Gründung einen besonderen Weg gewählt: Anstatt sich an bereits bestehende Betriebe zu wenden, wollten die Initiatoren des Projekts lieber alles neu aufbauen und haben mehr als ein Jahr nach geeigneten Flächen in Stadtnähe gesucht. Seit Januar 2011 werden rund 8 Hektar Land gepachtet und seit April wöchentlich frisches, regional-saisonales Biogemüse an 10 Verteilpunkte in Freiburg geliefert. Insgesamt ernähren sich schätzungsweise 250 Personen tagtäglich von dem Gemüse der GartenCoop.

Von den Mitgliedern der GartenCoop wird aber weit mehr gefordert, als von Kunden der diversen Bio-Lieferkisten der Region. Neben der solidarischen Finanzierung des gesamten Betriebs beteiligen sich die Mitglieder auch an regelmäßigen Jäte- und Ernteeinsätzen auf dem Hof und organisieren die gesamte Verteilung der Ernte. Dabei soll Verpackungsmaterial vermieden und die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern verringert werden. Das Gemüse wird jeden Donnerstag mit einem Carsharing-Bus vom Hof zu einem zentralen Punkt in Freiburg gebracht. Dort treffen sich um 14 Uhr ein halbes Dutzend RadlerInnen, die das Gemüse mit Fahrradanhängern auf die verschiedenen Stadtteile verteilen. An den insgesamt 11 Verteilpunkten holen dann die Mitglieder ihr Gemüse ab. Dabei wird auch darauf geachtet, dass kein Gemüse übrig bleibt. Wenn dies doch einmal der Fall sein sollte, kümmert sich jemand aus dem Verteilpunkt um die Verwertung des Überschusses.

Das Beispiel der GartenCoop hat auch im Hotzenwald Schule gemacht und überall im deutschsprachigen Raum formieren sich Initiativen, die nach einem umstellungswilligen Hof suchen oder gleich einen neuen landwirtschaftlichen Betrieb gründen wollen. Die Koordination und Beratung von Initiativen und jungen Projekten ist die selbst gestellte Aufgabe des Netzwerks Solidarische Landwirtschaft, das sich im Juli 2011 in Kassel gegründet hat. Das Netzwerk möchte eine Plattform bieten, um Interessierte zu vernetzen und Informationen bereit zu stellen. Durch verschiedene Aktivitäten soll die Idee der solidarischen Landwirtschaft weiter bekannt gemacht werden. Die Aktivitäten des Netzwerks beschränken sich aber keineswegs auf den deutschsprachigen Raum. So kam es während der ENA 2011 in Freiburg zu einem regen Austausch zwischen Mitgliedern und Bauern verschiedener AMAPs aus der Region Rhônes-Alpes. Außerdem beteiligt sich das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft an dem Projekt „CSA for Europe“ das vom internationalen CSA-Netzwerk Urgenci koordiniert wird.

Obwohl die Anfänge der solidarischen Landwirtschaft nun schon Jahrzehnte zurückliegen, hat die Bewegung in den letzten beiden Jahren eine neue Dynamik entwickelt. Von den rund 20 Höfen in Deutschland beispielsweise sind sieben in den vergangenen beiden Jahren entstanden und dutzende neue Initiativen sind gerade dabei zu entstehen. In Österreich hat 2011 der erste Hof auf solidarische Landwirtschaft umgestellt und in der Schweiz findet sich beinahe in jeder größeren Stadt eine Gruppe, die sich mit solidarischer Landwirtschaft beschäftigt.
Die Zeit ist reif – lasst uns gemeinsam die Landwirtschaft umkrempeln!

Fabian Kern ist Gründungsmitglied der GartenCoop Freiburg und derzeit vor allem in Verwaltung, Verteilung und Öffentlichkeitsarbeit tätig.
www.gartencoop.org/

Dieser Artikel statt aus kriZ Nummer 6 – die gesamte Ausgabe findest du hier.