BUNDjugend Baden-Württemberg  

Klima- und umweltpolitischer Jahresrückblick 2020

Bei der Mitgliederversammlung am 05.12.2020 verabschiedete sich Jakob Scheuble nach sechs Jahren als Landesjugendsprecher für Finanzen aus dem BUNDjugend-Vorstand. Er eröffnete die Mitgliederversammlung mit einer fulminanten Rede, die nichts weniger als ein klima- und umweltpolitischer Jahresrückblick 2020 war. Für alle, die nicht bei unserer digitalen Mitgliederversammlung dabei sein konnten, dokumentieren wir hier Jakes Rede.

Rede zur Begrüßung der digitalen Mitgliederversammlung am 05.12.2020

Liebe Mitglieder, liebe Aktive, liebe Mitarbeitende der Geschäftsstelle,

ich darf euch recht herzlich auf unsere Mitgliederversammlung 2020 willkommen heißen. Mein Name ist Jakob, oder für viele auch einfach Jake. Ich bin einer der Landesjugendsprecher*innen der BUNDjugend und damit Teil des Landesjugendvorstands. Wir als Vorstand laden satzungsgemäß einmal im Jahr zu der Mitgliederversammlung (kurz: MV) ein. Das ist auch dieses Jahr wieder so, nur dass wir es eben digital machen und nicht so, dass wir alle zusammen gemütlich in einem Raum sitzen. Insgesamt ist ja vieles anders gelaufen in diesem Jahr. Aber ich denke, da muss ich euch ja nicht nochmal alles erzählen, wir erleben es ja täglich. Bei all dem Trubel und dem Durcheinander ist einiges in den Hintergrund getreten oder erscheint plötzlich nicht mehr so wichtig. Die Beispiele im Umwelt- und Klimaschutzbereich sind zahlreich. Man könnte auch sagen, wir schieben alles auf oder prokrastinieren lieber als zu handeln!

Die letzte Mitgliederversammlung fand unter den Eindrücken des großen Klimastreiks im September 2019 und dem miserablen Klimaschutzpaket der Bundesregierung statt. Zwischen der Dynamik der Demos mit insgesamt über einer Millionen Menschen in Deutschland auf der Straße und den schwachen Maßnahmen, die auch als Klimaschutzverweigerung angesehen werden könnte, lagen wenige Wochen. Auch die Novelle des Klimaschutzgesetzes der Landesregierung im Herbst 2020 ist kein großer Wurf. Denn mit diesen Maßnahmen wird das Klimaziel von maximal 1,5 Grad nicht erreicht. Die Folgen dieses Nicht-Handelns werden wir, insbesondere als junge Menschen, deutlich zu spüren bekommen. So wie aktuell gehandelt wird, kann ein effektiver Klimaschutz nicht gelingen!

Anfang des Jahres waren Schlagzeilen über die Folgen des Klimawandels, die massiven Waldbrände in Australien, in allen Zeitungen. Diese ganz anschaulichen Schauplätze zeigen, was alles passiert, wenn wir so weiter machen wie bisher. Doch man muss gar nicht so weit reisen, um einen sterbenden Wald zu sehen. Auch bei uns sieht man abgestorben Bäume und stellenweise kahle Wälder. Die Trockenheit und Schädlinge setzten dem Wald so wie wir ihn kennen deutlich zu. Das Tempo des Wandels ist zu schnell und die Ökosysteme schaffen es nicht, sich anzupassen. Der Lebensraum und damit auch die biologische Vielfalt geht verloren. Doch nicht nur im Wald sondern auch in der Landwirtschaft und den Gärten ist der Artenschwund deutlich zu spüren. Pestizide und Monokulturen sind immer noch oft zu sehen. Doch so wie aktuell gehandelt wird, ist ein nachhaltiger Erhalt der Biodiversität nicht möglich. Es wird an dem Ast gesägt, auf dem wir sitzen!

Gesägt wird auch an andere Stelle. War 2018 der Hambacher Wald („Hambi“) noch das Zeichen des zivilen Protestes und ist es heute der Dannenröder Wald („Danni“) in Hessen, der für eine Autobahn weichen muss. Doch nicht mal nach Hessen muss man reisen, denn auch in Baden-Württemberg werden in allen Teilen des Landes Fernstraßen gebaut, vor allem Bundesstraßen. So wie die Mobilitätswende nicht umgesetzt wird, kann eine sozial- und klimagerechte Mobilität nicht gelingen. Sie wird aktiv ausgebremst!

Ungebremst ist hingegen die Ausbreitung von anti-demokratischen Strömungen, offen rechten Gesinnungen und diskriminierenden Einstellungen. Durch die Black-Lives-Matter-Bewegung im Frühjahr, den Querdenker-Demos oder AfD im Landtag wird das immer wieder erlebt und sichtbar. So, wie sich aktuell mache Dinge entwickeln, kann ein vielfältige Gesellschaft und ein gutes Leben für alle nicht aussehen!

Wie wir alle in echt und 3D aussehen, wissen wir ja leider zum Teil auch nicht mehr. Mit Corona hat sich vieles Verändert. Plötzlich ist vieles nicht mehr möglich, was in den letzten Jahren noch selbstverständlich war. Doch plötzlich sind Gelder für Fluggesellschaften und die Automobilindustrie da, wo vorher in weit geringeren Summen für Natur- und Umweltschutz oder für die Jugendarbeit nichts vorhanden war. Konzerne werden mit Milliarden unterstützt, aber für Klimaschutz ist kein Geld da. Wenn weiter so an klimaschädlichen Wirtschafts-Strukturen festgehalten wird, behindert das die sozial-ökologischen Transformation!

Jetzt habe ich viel über das gesprochen, was im letzten Jahr, aber auch schon länger nicht gut ist. Also könnten wir uns auch alle zusammen in die Ecke setzen und lieber eine Runde Mensch ärger dich nicht spielen. Wir können auch einfach alles aufschieben. Doch letztes Wochenende habe ich ein neues Wort gelesen: Präkrastinieren, also das Vorbereiten und Vordenken anstatt des Aufschiebens, also dem Prokastinieren. Ich musste sofort an das diesjährige JAK-Orgateam denken, das den Weltrekord aufgestellt hat: In einem Jahr drei JAKs vorbereiten, 4 JAKS absagen und trotzdem einen durchführen. Diese Energie auf dem JAK macht Spaß und treibt vieles voran. Die Stimmung hat gezeigt, dass wir alle Teil der Bewegung sein können, die sich für eine klimagerechte Welt einsetzt. Ein Umsteuern ist möglich, ist jetzt möglich und jetzt notwendiger denn je. Wenn wir jetzt als Gesellschaft entschlossen handeln, ist effektiver Klimawandel möglich. Dafür gehen wir auf die Straße!

Auf der Straße waren wir dieses Jahr aber auch, denn mit dem ersten in BW zugelassenen Volksbegehren war einiges los. Diese Volksbegehren hat in der Gesellschaft eine Debatte über Landwirtschaft, Natur und ihren Wert angestoßen. Die Regierung musste handeln und zusammen mit den Umwelt- und Bauernverbänden ausgearbeitet wurde ein Kompromiss. Er hat nicht alle Forderungen erfüllt, aber es wurde etwas erreicht. Im Juli wurde dann auch das daraus resultierende Biodiversitätsstärkungsgesetz vom Landtag verabschiedet. Es ist ein Schritt zum Artenschutz, doch nur einer, und die Taten müssen noch folgen. Auch wir als Jugendverbände haben uns an dem Dialog zwischen Umwelt und Bauernverbänden beteiligt. Denn wenn wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen, können wir auch den Verlust der Biodiversität verlangsamen und Lebensräume erhalten!

Lebensräume müssen auch für den Straßenbau weichen. Die Proteste im Hebst rund um die Waldrodungen im Danni sind zum Symbol der Mobilitätswende geworden. Denn nur wenn wir Autos zurückdrängen, den Fuß- und Radverkehr sowie die Öffis fördern, können wir auch im Mobilitätssektor die Klimaziele erreichen. Wir haben schon vor mehreren Jahren unsere Forderungen nach autofreien Innenstädten beschlossen. Diesen Sommer gingen auch vom Deutschen Städtetag Impulse für Städte ohne Autos aus. Der BUND fordert für die Landtagswahl 2021 ebenfalls autofreie Innenstädte. Wir sind als BUNDjugend mit dem, was wir fordern, nicht mehr alleine, und wenn wir auf allen Ebenen die Mobilitätswende voranbringen, können wir noch den richtigen Weg einschlagen und Mobilität sozial und klimagerecht gestalten!

Sozial und klimagerecht muss aber auch die Industrie umgebaut werden. Ein Weiter-so kann es nicht geben. Wir können nicht mit aller Gewalt an einem System festhalten, das nicht gerecht ist. Die Autoindustrie in BW tut genau das besonders stark. Doch sie ist ein Dino, der sich an die neuen Bedingungen anpassen muss. Wir brauchen den Wandel und müssen uns fragen, wie wir in Zukunft ein gutes Leben für alle bekommen. Denn nur wenn wir die Transformation der Industrie zu einer sozial-gerechten vorantreiben, schaffen wir einen besseren Platz für Menschen!

Um bessere Bedingungen für Menschen weltweit geht es auch, wenn wir über Lieferketten sprechen. Wir in den reichen Ländern müssen Verantwortung übernehmen für das, was wir weltweit produzieren lassen. Doch auch hier tut sich etwas, im Frühsommer forderten wir bei unserem Aktionstag ein Lieferkettengesetz. Im Sommer wurde die Diskussion darüber laut und öffentlich geführt. Es dauert bis heute, dass sich die Bundesregierung auf einen Entwurf einigt. Aber die Demokratie ist nunmal auch eine Form der Beteiligung, die von Zeit zu Zeit länger braucht und in der gestritten werden darf, gestritten werden muss. Solange der Rahmen des Diskurses auf einer guten Ebene bleibt ist das auch richtig und wichtig. Doch dieser Rahmen wird immer öfter gedehnt und Grenzen überschritten. Diese Provokationen und Angriffe dürfen wir nicht so hinnehmen und müssen uns gemeinsam für ein gutes gesellschaftliches Klima einsetzen. Rassismus, Diskriminierung und Benachteiligung müssen angegangen werden. Wenn wir alle zusammen für eine demokratische und vielfältige Gesellschaft einstehen, können wir die Welt verbessern!

Das beginnt bei jeder*m von uns im Kleinen, gilt aber auch für das ganze System. Eine der Aufgaben der BUNDjugend ist es, jungen Menschen die Möglichkeit zu bieten sich zu kritischen – und damit politisch mündigen – Menschen zu entwickeln. Deshalb sind wir ein basisdemokratischer Jugendverband und nicht die Umweltverbesserungs-Firma UWZ & Co KG. Hier und heute entscheiden wir gemeinsam und stellen die Weichen für die Geschicke unseres Verbandes!

Hier auf der Mitgliederversammlung ist der Ort, an dem wir in größerer Runde die Verbandsdemokratie leben. Auf der Mitgliederversammlung treffen Aktive aus Ortsgruppen, aus den landesweiten Arbeitsgruppen, der Vorstand, die Geschäftsstelle, aber auch Teilnehmende von Veranstaltungen und Mitglieder zusammen. Die Mitgliederversammlung ist das höchste Gremium der BUNDjugend, man kann sie auch das Parlament der BUNDjugend bezeichnen. Hier können Positionen beschlossen werden, der Vorstand, also die in etwa die Regierung wird gewählt, die dann über das Jahr die Entscheidungen trifft und es werden Schwerpunkte gesetzt, auch mit dem Haushalt.

Uff…

Jetzt habe ich als Vorstandsvertreter erstmal genug geredet und euch hoffentlich nicht all zu sehr zum Vormittagsschlaf verholfen. Sicher werde ich auch ein wenig überzogen haben. Damit wir als Vorstand nicht noch mehr reden und der Ablauf der Versammlung nicht noch mehr verzögert wird, bestimmen wir jetzt die Tagesleitung und steigen in die Tagesordnung ein.

Jakob Scheuble, Landesjugendsprecher

Hier kannst du die Rede als PDF herunterladen.

Und hier findest du den Bericht, den der Vorstand zur Mitgliederversammlung vorgelegt hat (PDF).