kriZ im Interview mit Fabian Löffler – Der Gründer der „Fair-Teiler“
Nicht nur Menschen bewegen sich, sondern auch Güter, Waren und Dienstleistungen. Dabei ist vermehrt ein Trend zu kollektivem Konsum, also teilen, tauschen, leihen und schenken zu bemerken. Kollektiver Konsum hängt meistens stark mit digitaler Vernetzung zusammen – hier stellen wir euch ein Praxisbeispiel vor, die Fair-Teiler.
Fabian Löffler (31) kommt aus Backnang bei Stuttgart (im Herzen aber Weltbürger) und ist der Gründer der Fair-Teiler, die inzwischen bundesweit in allen größeren Städten gibt. Die Fair-Teiler sind lokale Netzwerke, organisiert in Facebook-Gruppen, in denen man alle Dinge (bis auf Tiere und verbotene Dinge) oder Dienstleistungen auf fairer Basis tauschen, verkaufen und verschenken kann. Die Fair-Teiler werden ehrenamtlich betreut, sind also auf jeden gespendeten Cent angewiesen. Lukas und Kata haben Fabian für die kriZ interviewt, viel Spaß beim Lesen!
Wo kommt die „Fair-Teiler“-Idee her?
Die Idee zum Fair-Teiler ist mir an einem langweiligen Arbeitstag gekommen. Ich habe mich schon seit einiger Zeit mit sozialer Gerechtigkeit, verschiedenen Zukunftszenarien, der/unserer Wegwerf-Gesellschaft, weniger Arbeitsplätzen und Ähnlichem beschäftigt.
Ganz neu ist die Idee allerdings nicht, es gab schon vorher lokale Tauschgruppen auf Facebook, nur nicht unter einem „fairen“ Banner mit dem ausdrücklichen Wunsch, Dinge und Menschen positiv voranzubringen und auch über den Tellerrand hinaus eine Art Community zu schaffen. Uns gibt es seit März 2012 und mittlerweile haben wir deutschlandweit 50.000 User*innen mit deutlich steigender Tendenz!
Wo kommen die Ressourcen für Öffentlichkeitsarbeit und andere Ausgaben her?
Die Ressourcen für die bisher kaum vorhandene Öffentlichkeitsarbeit (außer minimal auf Facebook) kommen von mir privat, sowohl zeitlich als auch monetär. Ich habe aber auf www.fair-teiler.com einen Spendenbutton eingerichtet, den aber bisher seit 5 Monaten keine einzige Person benutzt hat. Werbung in jeglicher Form wurde noch nicht betrieben, das läuft alles über Mundpropaganda. Gerade haben wir außerdem eine startnext-Kampagne am Laufen, um eine eigenständige Plattform, auf der sich jede*r anmelden kann, zu entwickeln (im Moment können das nur Facebook-Nutzer*innen).
Wie ist das zeitlich zu bewältigen?
Da sprichst du was an (lacht)! Ich habe einen ganz normalen Full-Time-Job, eine Freundin, einen Hund und eine Oma, nach der ich ab und an schaue. Ich will es mal so sagen: Zum Glück gibt es Smartphones! Da kann man sich auch mal bei der Arbeit kurz in die gekachelten Räumlichkeiten zurückziehen, falls es irgendwo brennt. Ansonsten habe ich zwei fixe Zeitfenster: Früh morgens und spät abends. Da klicke ich dann die neuen User frei, schaue mir die neuen Angebote an oder löse diverse Streitigkeiten.
Arbeitest du im Team oder allein?
Ich arbeite alleine. Mich motiviert vor allem der Gedanke, immer und immer mehr Positives zu schaffen, sowohl Freude (auf menschlicher Ebene) als auch die Verhinderung von Müllbergen und das Schaffen eines Bewusstseins. Ich möchte alle aufrütteln und Leute dazu bringen zu verstehen, dass ihr Handeln, Denken und Fühlen in jeder Sekunde ihre Umwelt, ihr eigenes Leben, Fühlen und Handeln genauso wie das Leben, Fühlen und Handeln zukünftiger Generationen von Lebewesen beeinflussen wird. Es ist alles vernetzt und viel zu viele Leute haben den Kopf im Sand und blubbern vermeintlich weltbewegende Bläschen in ihrer Fast-Food-Plastik-Bubblegum-Ego-Welt. Fuck that!
Was wird oft angeboten? Wird vor allem ge- und verkauft oder auch geschenkt und geliehen?
Also alte Fernseher scheinen der Renner zu sein, von Verschenken jeglicher Größen bis zu total überteuerten Vorstellungen von Geräten in Briefmarkengröße scheint alles dabei zu sein. Letztens hat einer in Berlin eine Guillotine angeboten (lacht).
Man erkennt aber auch an den angebotenen Gegenständen, wie sehr die Leute immer noch von dieser „Ich brauche immer das Neueste“-Gehirnwäsche geimpft sind. Es werden fiktive Bedürfnisse in den Köpfen der Leute erschaffen, die nichts mehr mit wirklichen Emotionen oder positiven Auswirkungen auf ihr eigenes Leben zu tun haben. Die Devise ist: „Geh acht Stunden in einem Job, der dir keinen Spaß macht, arbeiten, um dir Dinge zu kaufen, die du nicht brauchst.“ Nebenbei zerstören wir durch die Produktion dieser Dinge auch noch die Umwelt.
Was gibt es an Konflikten und Problemen und wie werden sie gelöst?
Konflikte gibt’s erstaunlich wenige, und wenn doch mal, dann reguliert sich die Gruppe selbst. Bisher sind zwei bis drei kleinere Shitstorms über nicht allzu soziale Gruppenmitglieder hereingebrochen, aber in aller Regel lass´ ich als Admin Meinung Meinung sein, solange sie nicht unfair ist. Im Härtefall werden Störenfriede auch einfach aus der Gruppe rausgeschmissen, da bin ich mittlerweile relativ rigoros.
Wie seht ihr Kooperationen generell? Es gibt ja Plattformen wie foodsharing, zu denen es durchaus Berührungspunkte gibt.
Für Kooperationen bin ich sehr offen, ich hatte vor einigen Monaten ein Treffen mit dem Gründer von www.foodsharing.de, leider hat sich bisher in der Sache noch nichts entwickelt. Wenn ihr was wisst, Vorschläge oder Geldgeber*innen habt, lasst es mich gerne wissen!
Was für ein Publikum nutzt das Angebot hauptsächlich?
Man kann es mittlerweile gar nicht mehr auf den Typ „alternativer Mensch“ festmachen, das finde ich persönlich auch sehr interessant, dass die einen es als umweltschonende Alternative und die anderen als virtuelle Flohmarkt-Plattform sehen. Letztere Sicht führt oft dazu, dass die Augen für alternative Tausch- oder Geschäftskonzepte geöffnet werden.
Der leicht überwiegende Teil des Publikums ist weiblich und zwischen 25 und 34 Jahren alt, tauscht und verkauft gern Kleider und benimmt sich sehr rücksichtsvoll und kommunikativ. Meine Geschlechtsgenossen sind mit Handys, Elektronik und Instrumenten gut dabei und verhalten sich zwar weniger kommunikativ, aber dennoch sehr respekt- und rücksichtsvoll.
Wo seht ihr Konkurrenz? Steht zum Beispiel das Angebot von eBay-Kleinanzeigen in direkter Konkurrenz zu den Fair-Teilern? Wo sind Unterschiede, wo wollt ihr euch abgrenzen?
In eBay sehen wir überhaupt keine Konkurrenz. Wenn ich so recht überlege, sehe ich überhaupt keine adäquate Konkurrenz im Moment.
Die Unterschiede zu „vergleichbaren“ Plattformen sehe ich schon durch den wachsenden Community-Charakter der Gruppen, da stellt auch mal eine Frau, die mit dem Auto liegengeblieben ist, die Frage, ob sie jemand abholt oder Tipps hat – innerhalb von 10 Minuten war eine Lösung fürs Problem da. Kollektive Wissensdatenbank und Schwarmintelligenz!
Gibt es eine generelle Tendenz zu kollektivem Konsum bzw. zur Sharing-Kultur? Was meinst du?
Ich denke die Sharing-Kultur ist gerade auf dem aufsteigenden Ast, so wie es der Bio-Trend vor ein paar Jahren war. Ich weiß zwar nicht, wo diese Trends immer herkommen, aber diese beiden finde ich persönlich richtig und wichtig. Wichtig ist der Respekt gegenüber sich selbst, anderen (Menschen und Tieren) sowie Gegenständen und Ressourcen (Respekt gegenüber der Arbeit anderer und der so oft strapazierte Gedanke an unsere Kinder).
Ich glaube, dass man keinen einzigen Menschen auf diesem Planeten ändern kann, außer sich selbst. Wenn dich jemand anschreit, dann kannst du nur deinen Umgang mit seinem Geschrei ändern und nicht den Schreihals selbst. Sei du selbst der Wandel!
Wie siehst du die Zukunft der Fair-Teiler? Was soll sich noch verändern?
Die Zukunft wäre eine eigene Plattform, weg von Facebook. Eine Online- und natürlich auch Smartphone-App. Diese Plattform soll irgendwann nicht nur als Tauschbörse, sondern als interaktives Stadt-, Stadtteil- und Wohnhausnetzwerk genutzt werden können, in dem jeder seine Bestände und Bedürfnisse bzw. Fähigkeiten anonym einbringt und diese von der Gemeinschaft gesehen und verantwortlich erfüllt und genutzt werden.
Fabians abschließende Nachricht an euch ist: Bleibt positiv und gebt Liebe! Helft auf: www.fairteiler.com mit Geld und/oder auf www.facebook.com/fairteiler mit Feedback und einem „Gefällt mir!“. Ihr erreicht Fabian unter fabifairteiler@gmx.de.
Ein kriZ-Artikel von Lukas Kammerlander und Katharina Ebinger. Beide sind im Landesjugendvorstand der BUNDjugend Baden-Württemberg aktiv.
Das Interview wurde im August 2013 geführt.