BUNDjugend Baden-Württemberg  

Und was ist mit Bildungsmobilität?

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Hat das was mit der morgendlichen Busfahrt zur Schule zu tun oder wie ist das gemeint?

Nein, denn allgemein beschäftigen sich Studien, in denen es um Bildungsmobilität geht, damit, wie sehr die Bildung eines Kindes von seinem Elternhaus abhängen bzw. ob das Elternhaus die Chancen auf Bildung des Kindes verbessert oder verschlechtert.

Wie ist das also in Deutschland? Und warum ist Bildungsmobilität wichtig?

In unserer und in den meisten sogenannten entwickelten Gesellschaften entscheidet die Qualifikation von jungen Menschen über ihre Perspektiven, außerdem geht eine höhere Qualifikation meist auch mit einem höheren Einkommen einher, was Studien zufolge die Gefahr, arbeitslos zu werden, zusätzlich verringert. Das höhere Einkommen hat natürlich auch zur Folge, dass bessere Möglichkeiten entstehen, um Vermögen anzusammeln und so für das Alter vorzusorgen. Dazu kommt, dass Höherqualifizierte im Großen und Ganzen gesünder und länger leben als Niedrigqualifizierte. Das ist ja alles interessant, aber wie genau misst man denn nun Bildungsmobilität?

Das Nationale Bildungspanel (National Educational Panel Study, also kurz NEPS) erhebt Statistiken zu Bildungs- und Ausbildungsprozessen in Deutschland, also genau das, was man zur Beurteilung von Bildungsmobilität braucht. Bei Studien zur Bildungsmobilität wird der höchste erreichte Bildungsabschluss von Menschen einer bestimmten Altersgruppe mit dem höchsten erreichten Bildunsabschluss ihrer Eltern verglichen. Heraus kommen dabei Bildungsaufsteiger*innen –absteiger*innen und solche, die auf dem gleichen Bildungsniveau sind wie ihre Eltern, die sich also nicht „bewegt“ haben. Da das Ende des Bildungswegs nicht mit dem Ende der Schulzeit erreicht ist und z. B. Studium oder Ähnliches oft erst in den Dreißigern beendet wird, wird in der Studie des NEPS hauptsächlich auf die Gruppe der 35- bis 44-Jährigen eingegangen.Bildungsmobilität_kriZ

Vergleiche zeigen dabei, dass sich die Bildungsmobilität in Deutschland während der letzten 50 Jahre kaum verändert hat, was an der seit den 60er Jahren fortschreitenden Bildungsexpansion, also dem Phänomen, dass die jüngere Generation eine bessere Ausbildung erhält als ihre Vorgängergeneration, liegen kann. Im europäischen Vergleich schneidet Deutschland schlecht ab; nur die Slowakei und Estland weisen noch schlechtere Zahlen vor. Egalitärere Länder wie Schweden schneiden besser ab, während Länder in Lateinamerika, wo auch die Einkommensverteilung ungleicher ist, eine niedrigere Bildungsmobilität aufweisen. Im Allgemeinen gibt es in Deutschland mehr Bildungsaufsteiger*innen als Bildungsabsteiger*innen. So sind z. B., wenn man den Abschluss des Vaters als Vergleichspunkt nimmt, 31,2% der 35- bis 44-Jährigen Aufsteiger und 19,6% Absteiger. Im Bezug auf den Abschluss der Mutter sind die Zahlen sogar noch schöner: 43,6% sind Aufsteiger*innen, nur 8,9% Absteiger*innen. Zukünftig wird sich dieser Unterschied zwischen den zwei Bezugsgrößen, dem Abschluss der Mutter und dem des Vaters, vermutlich verringern, da sich die Rolle der Frau in den letzten Jahren so gewandelt hat, dass nun auch für sie Bildung wichtig ist. Innerhalb der Gruppe der 35- bis 44-Jährigen ergeben sich allerdings auch noch leichte Unterschiede, wenn man Männer und Frauen getrennt betrachtet. Bei den Frauen gibt es, im Vergleich zum höchsten Abschluss des Vaters, 30,3% Aufsteigerinnen und 21,9% Absteigerinnen, in Bezug auf den Abschluss der Mutter erkennt man, dass es 42,2% Aufsteigerinnen und 10,4% Absteigerinnen gibt. Die Zahlen für Männer differieren hier um wenige Prozentpunkte: Im Vergleich zum Abschluss des Vaters ergeben sich 32,2% Aufsteiger und 17% Absteiger, in Bezug auf den der Mutter lassen sich 45,2% als Aufsteiger und nur 7,2% als Absteiger definieren. Dieser Unterschied wird, wie auch schon oben für die Vergleichsgruppe der Eltern angeführt, in Zukunft durch die höhere Bildungsbeteiligung von Frauen verschwinden. Diese Annahme wird bestätigt, wenn man die Gruppe der 35- bis 44-Jährigen mit der der 45- bis 55-Jährigen vergleicht: Die Bildungsmobilität im Vergleich zum Vater hat sich kaum geändert, der Anteil der Bildungsaufsteiger*innen gegenüber der Mutter hat sich allerdings von 53,8 auf 43,6% gesunken.

Neben dem Geschlecht wirken sich auch Faktoren wie der Abschluss der Eltern auf den später erreichten Abschluss der nächsten Generation aus. So haben beispielsweise nur 1,3% aller Akademikerkinder, also Kinder, deren Eltern (in diesem Falle Vater) einen Hochschulabschluss vorweisen können, keinen berufsqualifizierenden Abschluss, wohingegen Kinder von Vätern ohne berufsqualifizierenden Abschluss zu ca. 40% auch keinen berufsqualifizierenden Abschluss erreichen.

Interessant für die Bestimmung der Bildungsmobilität kann auch die Zusammensetzung der Kinder sein, die ein Gymnasium besuchen, da das meist schon ein Hinweis auf den später angestrebten beruflichen Abschluss darstellt. Wenn man den Anteil der Schüler*innen, die 2000 und 2009 ein Gymnasium besuchten, vergleicht, sieht man, dass er im Allgemeinen gewachsen ist, nur die Zahlen für die Gruppe der Schüler*innen, deren Mutter keinen berufsqualifizierenden Abschluss hat, sind leicht geschrumpft. Der Abschluss der Eltern und auch ihr beruflicher Status wirken sich auf den Bildungsweg der Kinder aus. Wenn der Vater beispielsweise als Fach- oder Führungskraft arbeitet, auch ohne einen Hochschulabschluss erreicht zu haben, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit eines späteren Hochschulabschlusses des Kindes um 12,2%.

Bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund wird in dieser Studie unterschieden, ob sie selbst oder schon ihre Eltern zugewandert sind. Wenn sie selbst zugewandert sind, ist die Chance 16,1% geringer, dass sie das Gymnasium besuchen, als es bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund der Fall ist. Bei Kindern von Einwanderern, die nicht selbst eingewandert sind, hat dies keine negativen Folgen auf die Bildungsmobilität: Bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund, deren Eltern keinen akademischen Abschluss haben, ist die Wahrscheinlichkeit sogar 5,4% höher, dass sie das Gymnasium besuchen als bei deutschen Jugendlichen aus Nichtakademikerfamilien.Tine_Bildungsmobilitä_kriZ

Ein weiterer Faktor, der den Bildungsweg der Kinder maßgeblich beeinflusst, scheint die Einstellung der Eltern zu Bildung bzw. das Vorhandensein positiver Vorbilder zu sein. Wenn die Eltern Sozialleistungen empfangen, ist es 8,4% weniger wahrscheinlich, dass das Kind das Gymnasium besucht als ein Kind aus einer Nichtakademikerfamilie mit dem gleichen Einkommen, aber eben einem Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Ebenso ist es bei Kindern wahrscheinlicher, dass sie das Gymnasium besuchen, wenn ihre Eltern Fach- oder Führungskräfte sind, auch wenn die Vergleichsgruppe einen gleichen Abschluss und ein gleiches Einkommen vorweisen kann. Das könnte eventuell an einer positiven Einstellung der Eltern zum Thema Bildung liegen.

Kinder aus großen Haushalten oder von Alleinerziehenden besuchen seltener das Gymnasium als andere Kinder. Gründe hierfür könnten darin liegen, dass die Finanzierung eventuell die Mittel der Eltern übersteigt oder das Kind bald selbst zu seinem Unterhalt beitragen will oder soll, aber auch in der mangelnden Zeit, die Eltern sich für das Kind nehmen können, sei es wegen mehreren Geschwistern, sei es, wegen der Doppelbelastung Arbeit und Kind. Bei Kindern in großen Haushalten kommt außerdem hinzu, dass sie oft keinen geeigneten Rückzugsort zum Lernen haben.

Hier bieten sich auch Punkte, an denen man ansetzen kann, um Bildungsmobilität zu verbessern. Mögliche Fördermaßnahmen für Kinder von Alleinerziehenden oder aus großen Haushalten könnten im Ausbau von Ganztagsschulen bzw. Betreuungsangeboten bestehen. Außerdem müssen positive Bildungsvorbilder für Kinder aus bildungsfernen Schichten geschaffen werden.


Ein kriZ-Artikel von Tine Kühn vom August 2013, BUNDjugend Aktive und Mitglied der kriZ Redaktion

Zum weiterlesen:

Fischer, Mira und Wido Geis „Bestimmungsgrößen der Bildungsmobilität.“ In: Trends. Januar 2013.

www.neps.de 1. August 2013