Vom Nutzen der Vielfalt
Weltweit experimentieren Landwirte mit einer alternativen Anbaumethode…
Wenn der Landwirt Sepp Holzer auf seinem Hof Erbsen anpflanzen will, streut er großzügig eine Samenmischung auf sein unbearbeitetes Beet. Nicht nur Erbsen, sondern auch andere Gemüse- und Kräutersorten sind darin enthalten. Danach schickt er seine Schweine auf die Fläche. „Ich bin der Meinung, dass ein Landwirt nicht gegen die Natur arbeiten sollte, sondern mit ihr. Die Schweine suchen sich ihre Nahrung im Boden. Sie graben ihn dabei um, lockern ihn auf und düngen, ohne dass ich etwas tun muss. Und hinterher gehen immer noch genug Samen auf“. Holzer hat im Laufe von Jahrzehnten ganz eigene Bewirtschaftungsmethoden für seinen Berghof entwickelt, den Krameterhof im Lundgau, Österreich, auf 1300 m Höhe. Der „Agrar-Rebell“ baut nie nur eine Feldfrucht alleine an. Er nutzt auch keine künstlichen Dünger oder Pestizide. Sein Ziel ist es, möglichst natürliche Artengemeinschaften aufzubauen, in denen nicht nur Nutzpflanzen Platz finden, und Wild- wie Haustiere zu seinen Mitarbeitern zu machen. Schweine pflügen den Boden, Laufenten bekämpfen Schnecken. Gefallenes Laub und nicht geerntete Feldfrüchte bleiben einfach liegen und bilden neuen Humus, Klee und Hülsenfrüchte versorgen den Boden mit Stickstoff. Überall spart der Landwirt Arbeit. Holzer gestaltet seine Kulturen so, dass sie sich durch interne Kreisläufe selbst versorgen und stabilisieren und er selbst möglichst wenig eingreifen muss. Was dabei funktioniert und was nicht, hat er durch genaue Beobachtung und durch Versuch und Irrtum im Laufe der Jahre gelernt. Durch eine intensive Gestaltung von Terrassen, Teichen, Steinfeldern, Hochbeeten und Wegen wurde der Krameterhof in ein erstaunliches Naturparadies mit vielen verschiedenen Kleinststrukturen und großem Artenreichtum verwandelt, in dem sogar Feigen und Orangen wachsen. Holzers Anbaumethode wird als Permakultur bezeichnet. Ihr Ziel ist es, unabhängige Anbauformen zu entwickeln, die sich auf Dauer fast ohne menschliche Eingriffe selbst erhalten. Dazu werden, wie auf Holzers Hof, alle Elemente eines natürlichen Ökosystems, also Pflanzen, Tiere und die äußeren Bedingungen des Standortes mit einbezogen. Idealerweise werden alle natürlichen Stockwerke von der Baumkrone bis in den Mineralboden ausgenutzt. Dadurch steigt nicht nur die ökologische Vielfalt, sondern auch der Ertrag pro Fläche. Wichtig ist auch, natürliche Ressourcen wie Wärme und Wasser in der Planung zu berücksichtigen, indem man z. B. Steine als Wärmespeicher zu Wärmeliebenden Kulturen gesellt. Verschiedene Formen der Permakultur wurden in den vergangenen Jahrzehnten weltweit entwickelt. So veröffentlichte beispielsweise der Japaner Masanobu Fukuoka bereits 1984 ein Buch über seine Anbauphilosophie des „Nicht-Tuns“, die beispielsweise ohne das aufwändige Fluten der Reisfelder auskommt. Ihre Verfechter halten die Permakultur als eine Design-intensive Wirtschaftsform für einen sinnvollen Ausweg aus der energieintensiven industriellen Landwirtschaft, ohne dabei auf die arbeitsintensive Wirtschaftsform des Mittelalters zurückfallen zu müssen. Ob sich die Permakultur allerdings zu mehr als einer Nischenwirtschaft entwickeln kann, ist umstritten. Holzer verdiente sein Geld früher hauptsächlich durch Sonderkulturen wie Saatgut. Inzwischen arbeitet er als Berater, er entwirft und betreut international Permakultur-Projekte, vor allem in Entwicklungsländern, und leistet damit seine eigene Idee von praktischer Entwicklungshilfe.
Lukas Flinspach
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